Veranstaltung zur Organspende: Überlassen Sie die lebensrettende Entscheidung nicht Ihren Angehörigen!
Auf ein lebenswichtiges Organ zu warten, zu hoffen, zu bangen, vielleicht Zusagen zu bekommen, und am Ende kommt es doch nicht zu einer Transplantation, das ist für viele ein sehr schwerer Weg. Rund zehn Organspender pro eine Million Einwohner gibt es in Deutschland. Dass das viel zu wenig ist, zeigt ein Blick auf die nackten Zahlen: 8500 Menschen warten jährlich auf ein Spenderorgan. Mehr als zwei Menschen, die auf den Wartelisten stehen, sterben jeden Tag – über 800 im letzten Jahr. Woran liegt es, dass wir in Deutschland deutlich zu wenig Spender haben? Wie kann man diese Zahlen verbessern? Darüber sprach die Parlamentarische Staatssekretärin und Bundestagsabgeordnete Anette Kramme mit einem aufgeschlossenen Publikum und zwei fachkundigen Podiumsgästen.
Prof. Dr. med. Jörg Reutershan, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am Klinikum Bayreuth, schilderte die Herausforderungen und Chancen in der klinischen Praxis: „Viele Entscheidungen rund um die Organspende müssen in Extremsituationen und innerhalb kurzer Zeit getroffen werden.“ Dabei betonte er die Notwendigkeit klarer Willenserklärungen der Spender, um Angehörige zu entlasten und die Prozesse zu erleichtern.
Reutershan erläuterte auch den sorgfältigen medizinischen Prozess zur sicheren Feststellung des Hirntods von Patienten. Ein Organ komme für eine Spende infrage, wenn beim möglichen Spender der Zustand des Hirntods eingetreten sei, also das Großhirn, das Kleinhirn und der Hirnstamm ihre Funktion eingestellt haben. Bevor es zu einer Organentnahme komme, müssen zwei unabhängige Ärzte den vollständigen und irreversiblen Ausfall des gesamten Gehirns gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer feststellen.
Und: Es bedarf in Deutschland der Zustimmung des potenziellen Spenders, entweder dokumentiert auf einem Organspendeausweis, im Organspenderegister oder zumindest mündlich gegenüber den nächsten Angehörigen geäußert. Liegt eine derartige Willensbekundung nicht vor, sind die Angehörigen aufgefordert, im mutmaßlichen Patientenwillen zu entscheiden.
„Ob gespendete Organe und Gewebe für eine Transplantation geeignet sind, wird im Fall einer tatsächlichen Spende medizinisch geprüft. Für eine Organ- und Gewebespende gibt es keine Altersgrenze. Es gibt Fälle, in denen über 90-jährige Patienten Organe gespendet haben“, berichtete Reutershan.
Um die Situation der Organspende in Deutschland zu verbessern, setzt sich Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, seit vielen Jahren für die Einführung der Widerspruchsregelung ein. „In Europa steht Deutschland mit rund zehn Organspenden pro eine Million Einwohner aktuell ziemlich am Ende. Länder mit Widerspruchsregelung stehen deutlich besser da. In Spanien gibt es zum Beispiel mehr als 40 Spenden pro eine Million Einwohner“, betonte sie.
Bei der Widerspruchsregelung gelten alle Menschen, die nicht aktiv widersprochen haben, automatisch als potenzielle Organspender. Wer die Organspende für sich persönlich ausschließen möchte, müsste seinen Widerspruch im Organspenderegister, auf dem Organspendeausweis oder gegenüber Angehörigen entsprechend dokumentieren und kommunizieren.
„Die Widerspruchsregelung ist sicher kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein, der in Deutschland bislang fehlt, um zu höheren Spenderzahlen zu kommen.“ Damit nehme man auch den Angehörigen eine enorme Last. Denn sie würden zwar auch bei der Widerspruchsregelung einbezogen, müssten aber keine eigene Entscheidung mehr fällen.
Anette Kramme selbst ist klare Befürworterin der Widerspruchsregelung. „Das Thema Organspende muss aber auch mehr in die Gesellschaft getragen werden“, lautet ihre Forderung. Es gehe nicht nur darum, die Widerspruchsregelung einzuführen, sondern die Bevölkerung noch umfassender und niederschwelliger zu informieren und eine Kultur der Organspende in Deutschland zu schaffen.